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karin seidner

   

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Dunkelgrau

Weh oh bin ich heute morgen dunkelgrau
Im Zimmer hängt die Gnade tief

An der Leine baumelt ein einzelner Traum
Das Fenster trägt deinen Schatten

Der Tisch hält die Flasche mit Licht gefangen
Der Stuhl umfängt den erstarrten Raum

Im Spiegel steckt ein abgelegtes Kleid
Mein Atem findet sich nicht wieder

Der Garten wird verweht der Stamm gebeugt
Federn stürzen von den Bäumen

In mir nagen die kalten Zwischenräume
Die Zeit zerfrisst getreue Wände

Ein längstvergessenes Lächeln liegt
verstaubt unter dem Schrank

Im Kopf erkalten alte Melodien
Im Klavier zerfällt dein Bild

Deine Briefe werfen sich ins Fenster
Ich sehe ihnen arglos nach

Ein Tagebuch ohne Sinn eine Rose ohne Wasser
Bitter schmeckt das Wachen

Im Zimmer hängt die Gnade tief
Weh oh bin ich heute morgen dunkelgrau

BOOM BOOM

give me a new name
whenevever you try my fur
magic moonlighter
unveil hidden dimples
somber melody taster
hiding behind temples
do not spill the nutmeg flour
pour buttermilk bamboo
into open ears

bha

dha

cha

dha

kha

subtle limb weaver
entangle my lost thigh veins
laugh body and mind apart
search for nameless fingerprints
on untouched scales

extended hip bones shiver
naked eye-brows whisper
water
holy fire
hunt
desire
hail
witchcraft
raise the eye

I lost my red ribbon
between your fingers
or among your
emerald humming-birds

ohne titel

schreiben schreiben schreiben
schreiben schreiben schreiben
hinschreiben herschreiben wegschreiben
anschreiben abschreiben umschreiben

denken denken denken
denken denken denken
hindenken herdenken wegdenken
andenken durchdenken umdenken

sagen sagen sagen
sagen sagen sagen
hinsagen hersagen vorsagen
ansagen absagen entsagen

geschrieben geschrieben geschrieben
gedacht gedacht gedacht
gesagt gesagt gesagt

hingeschrieben hergeschrieben weggeschrieben
angeschrieben abgeschrieben umgeschrieben
hineingedacht hergedacht weggedacht
angedacht durchgedacht umgedacht
hingesagt hergesagt vorgesagt
angesagt abgesagt entgesagt!


Auszug aus der Kurzgeschichte: DER FALL LAURA W.

...sie waren aufeinander reduziert.wie zwei tiere, die zeitlebens willkürlich miteinander in einen käfig gesperrt worden waren und keine andere wahl hatten.
das war nicht über nacht geschehen und die umstände hatten es vielleicht erfordert.
eine glaubte die andere genau zu kennen, in jedem augenblick zu durchschauen, dennoch nahm das stumpfe, fixierte interesse aneinander nicht ab, blieb als der einzig lebendig-verbindende funke zwischen ihnen bestehen.
sie waren durch zur sucht gewordenen gewohnheit und misstrauen geschürt von gegenseitiger abhängigkeit untrennbar aneinander gekettet:
sibille, die tüchtige alleinerzieherin und laura, ihre wohlgeratene tochter.
nach außen unauffällig, nickten sie den nachbarn zu, grüssten auf der straße, kauften regelmässig im selben supermarkt die gleichen waren, der alltag verlief, verdächtigungen wuchsen nur innerhalb des systems lautlos wie versteckter schimmel.
sibille, mitte vierzig, immer noch kein einziges graues haar, modischer kurzhaarschnitt, klassisches profil, gediegen gekleidet, am höhepunkt ihrer karriere , begehrenswerte frau;
sibille war stets eine sehr besorgte mutter gewesen; anfangs hatte ihr exmann es rührend gefunden, wie fixiert sie auf das kind war, wie sie jede regung der kleinen beobachtete, bei jedem geräusch von ihr hochfuhr und besorgt nach ihr schaute, dann wurde er missmutiger, als er bemerkte, dass sie ihn kaum an seine tochter heranliess, so tat als könne er mit ihr nicht umgehen, als wäre er nicht der vater.
er hatte ihr das nicht nur einmal vorgeworfen, es hatte aber nichts verändert; seit der geburt der tochter war sibille ihm immer fremder und ferner geworden, was ihm früher an ihr charmante sprödheit zu sein schien, war jetzt unbarmherzige härte und pure abweisung geworden.
als laura noch ein baby war, hatte er vieles an seiner frau akzeptiert, gemeint, dass sich eine ehe mit dem ersten kind eben grundlegend verändere, dass sibille mit der neuen situation verständlicherweise überfordert wäre und dass sich bald alles wieder einrenken würde; alle seine freunde argumentierten so und er stellte sich darauf ein, doch seine geduld wurde auf eine harte probe gestellt.
wenn sibille ihn einmal mit laura alleine liess, gab sie ihm nicht nur ganz genaue anweisungen, sondern erklärte ihm auch eindringlich, worauf er genau zu achten hätte und fragte ihn anschliessend aus als wäre sie ihm gegenüber vollkommen misstrauisch....